Um den Landtag zukünftig insgesamt jünger und weiblicher zu machen, haben wir Grüne mit der Wahlrechtsreform vergangenen Jahres an zwei entscheidenden Stellschrauben gedreht: Durch die Herabsenkung des Wahlalters auf 16 geben wir unserem jungen Nachwuchs eine politische Stimme, die künftig auch an der Wahlurne konkret ihre Geltung bekommt. Zusätzlich führen wir das Zwei-Stimmen-Wahlrecht ein. Dadurch können Parteien ihre Kandidatinnen und Kandidaten selbst auf Landeslisten aufstellen – und so den Einfluss steigern, wer vorne um einen Sitz im Parlament mitspielen kann. Dadurch bekommen auch Bürgerinnen und Bürger mehr Optionen. Der Ball liegt nun bei den Parteien, die Landeslisten entsprechend auszugestalten und die Reform in die Praxis zu überführen.
Die Prognose, der Landtag würde das Zwei-Stimmen-Recht aufgebläht werden, ist eine unzureichende Pauschalisierung und reine Spekulation. Das sehen wir beispielhaft in Rheinland-Pfalz oder Mecklenburg-Vorpommern, wo ein Stimmensplitting durchaus zu weniger Überhangsmandaten führen kann. Das hängt maßgeblich mit der Landesliste zusammen. Sie hat zum Vorteil, dass die Auszählung nicht wie bisher in jedem der vier Regierungsbezirke separat ausgerechnet und addiert wird, sondern nur einmal landesweit. Eine Zwangsläufigkeit, die gerne beschworen wird, ist folglich nicht in Stein gemeißelt.
Richtig ist, dass wir den demographischen Wandel und seine Auswirkung auf die Größe der Wahlkreise immer wieder auf den Prüfstand stellen müssen. Der Landtag wird sich ohnehin in einem zweiten Reformschritt noch mit dem Zuschnitt der Wahlkreise befassen müssen, so haben wir es auch im Koalitionsvertrag vereinbart.
Eine Reduzierung der aktuell 70 Wahlkreise auf 38, wie sie die FDP fordert, wäre aber angesichts der Erfordernisse eine klare Absage für eine Politik der Nahbarkeit und des Gehörtwerdens. Denn: Im Schnitt betreut ein Wahlkreis rund 158 000 Einwohnerinnen und Einwohner. Das ist schon heute ein Höchstwert, bei der ersten Landtagswahl 1952 waren es noch 95 000. Nach der Forderung der FDP müssten Abgeordnete in Zukunft circa 300 000 Menschen in ihrer Funktion als Interessensvertreterinnen und Interessensvertreter nachkommen.
Zudem besagt Artikel 28 der Landesverfassung, dass die Landtagswahl in Baden-Württemberg nach ein einem Verfahren stattfindet, das die Persönlichkeitswahl mit den Grundsätzen der Verhältniswahl verbindet. Laut entsprechender Gesetzeskommentare muss die Verbindung von Persönlichkeitswahl (Erststimme) neben der Verhältniswahl (Zweitstimme) dabei mindestens gleichberechtigt vertreten sein. Nach dem Entwurf der FDP sind aber 38 Erstmandate und 50 Zweitmandate vorgesehen. Das heißt, dass das Element der Persönlichkeitswahl hinter der Verhältniswahl zurücktritt. Dies stellt ein erhebliches rechtliches Risiko dar. Gerade bei der Landtagswahl sollten aber rechtliche Risiken dieser Art vermieden werden, um keine Ungültigkeit der Wahl zu riskieren.
Dieser Entwurf ist schlichtweg verfassungswidrig, realitätsfremd und wird den Bürgerinnen und Bürgern keinesfalls gerecht.
Text: Andreas Schwarz MdL
Foto: Lena Lux