Es ist nicht ganz einfach, in diesen welt- und bundespolitisch höchst bewegten Zeiten auf das politische Tagesgeschäft zu schauen. Der gestrige Tag hat gezeigt, wie wichtig es ist, dass demokratische Parteien in der Lage bleiben, lagerübergreifende Kompromisse zu schließen – und nicht in österreichische Verhältnisse abzurutschen.
Das war ein absolutes No-Go! Merz hat sein Wort gebrochen und sich von Mehrheiten von Rechts verführen lassen. Mit der Abstimmung öffnete er eine gefährliche Tür. Viele Menschen machen sich jetzt zu Recht Sorgen und fragen sich: Wohin führt das? Der gestrige Tag zeigt: Auf den Kanzlerkandidaten ist kein Verlass. Die CDU im Bund strebt nach Macht und schielt nach rechts. Umso wichtiger sind stabile Verhältnisse im Land: Mit Rechtsextremen ist kein Staat zu machen. Ich bin dankbar für jeden, der sich entschieden den Lockrufen der Rechtsextremen entgegenstellt. Ich setze darauf, dass Manuel Hagel bei seiner klaren Haltung bleibt. Das Land braucht verlässliche Demokraten. Darauf baue ich, heute und morgen, in diesen schwierigen Zeiten.
Auch deshalb möchte ich euch darüber informieren, dass heute und gestern der Landtag getagt hat und dabei einige Gesetzesvorhaben mit Auswirkungen auf die Arbeit in den Kommunen auf der Tagesordnung standen.
Insbesondere haben wir mit der Novelle des Schulgesetzes die rechtliche Grundlage für das Bildungsreformpaket beschlossen. Unsere Reform ist eine der umfangreichsten Bildungsreformen der letzten Jahrzehnte – und genau ein solcher lagerübergreifender Kompromiss mit der CDU.
Uns Grünen war und ist immer wichtig: Unsere Kinder sollen die beste Bildung erhalten und verdienen die besten Startchancen. Das leitet uns.
Die Novelle betrifft alle Schulen und alle Schularten:
· Die Startchancen sind die große Gerechtigkeitsfrage auf dem Bildungsweg: In Kitas wird es deshalb künftig eine verbindliche Sprachförderung geben. Kinder, die noch Nachholbedarf im sprachlichen Bereich haben, werden ab 2026 (flächendeckend ab 2028) zunächst eine Juniorklasse besuchen, bevor sie in die Grundschule eingeschult werden. Damit stärken wir die Bildungschancen für alle Kinder – Sprache ist der Schlüssel dafür, alle weiteren Kompetenzen zu erwerben. Flankiert wird die Sprachförderung durch das Startchancenprogramm (Land und Bund).
· Insbesondere auf Wunsch des Koalitionspartners haben wir eine verbindlichere Grundschulempfehlung eingeführt. Neben der Empfehlung der Lehrkräfte und dem Elternwunsch kommt als objektive Einschätzung des Lernstands Kompass 4 hinzu. Der Zugang zum Gymnasium ist möglich, wenn zwei dieser drei Kriterien positiv ausfallen – oder wenn der „Potenzialtest“ zur Aufnahme am Gymnasium geschrieben wird und positiv ausfällt. Bei Kompass 4 (der dann Relevanz entfaltet, wenn Einschätzung von Eltern und Lehrkräften auseinandergeht) sehen wir allerdings noch Nachbesserungsbedarf.
· Wir machen die Kinder fit für die Zukunft: In allen weiterführenden Schulen kommen „Innovationselemente“ zum Tragen – der künftig ab Klasse 5 stattfindende Unterricht in Informatik und Medienbildung, ein Fokus auf Demokratiebildung sowie der Ausbau von Mentoring und Coaching. Damit reagieren wir auf die relevanten Herausforderungen unserer Zeit wie Digitalisierung, KI und auch die zunehmende Bedeutung von Medienkompetenz im Zeichen von Fake-News und Populismus. Zudem gibt es Änderungen bei den Profilfächern.
· Wir vereinfachen die Bildungslandschaft: Der Werkrealschulabschluss als baden-württembergischer Sonderweg läuft aus. Die Schüler*innen, die jetzt die Werkrealschule besuchen, werden diesen Abschluss noch ablegen können. Werkrealschulen können sich weiterentwickeln oder Verbünde mit Real- oder Gemeinschaftsschulen eingehen, um zukünftig weitere Abschlüsse neben dem Hauptschulabschluss anzubieten.
· Schülerinnen und Schülern an Werkrealschulen/Hauptschulen wird perspektivisch ermöglicht, über Kooperationsnetzwerke (KoNet) mit Beruflichen Schulen praxisnah und berufsorientiert den Mittleren Bildungsabschluss vollschulisch oder über eine berufliche Ausbildung abzulegen.
· Wir stärken die Zusammenarbeit der Schulformen: Realschulen und Gemeinschaftsschulen (GMS) haben die Möglichkeit, Kooperationen mit anderen Schularten einzugehen. Im Verbund einer GMS mit einem allgemeinbildenden oder beruflichen Gymnasium oder einer Gemeinschaftsschule mit Oberstufe eröffnet sich so der Weg zur gymnasialen Oberstufe.
· Der Wunsch der Eltern war klar zu hören: Die Regelform des Gymnasiums ist künftig das neunjährige Gymnasium, das einzelne achtjährige Züge einrichten kann. Das neue G9 gilt für alle Schüler*innen, die ab Herbst in Klasse 5 oder 6 sind; der Umstieg erfolgt also aufwachsend, um Schulträger und Schulen nicht zu überfordern.
· Unterhalb des Schulgesetzes wird mit der Stundentafelöffnungsverordnung den weiterführenden Schulen die Möglichkeit gegeben, flexibel und an lokale Bedürfnisse angepasst zu entscheiden, ob Fächer z.B. zweistündig im Halbjahr oder einstündig über das ganze Schuljahr unterrichtet werden.
Eine umfassende FAQ zu den Bildungsreformen stellt das KM hier zur Verfügung: https://km.baden-wuerttemberg.de/de/schule/schulartuebergreifend/faq-bildungsreform
Weitere Fragen hierzu richtet gerne an unseren Arbeitskreis Bildung in der Landtagsfraktion.
Neben der Beschlussfassung über das Schulgesetz standen auf der Tagesordnung des Plenums u.a. die erste Lesung des Landesplanungsgesetzes, die erste Lesung der novellierten Landesbauordnung sowie die erste Lesung des Landesmobilitätsgesetzes. Auch diese drei Gesetze – die voraussichtlich Ende Februar/Anfang März beschlossen werden – werden erhebliche Auswirkungen auf der kommunalen Ebene haben, Vorgänge vereinfachen und neue Spielräume eröffnen.
Text: Andreas Schwarz MdL